Spitzenregulierung: die Kombi macht’s
In diesem Jahr stehen die Arbeiten rund um den Schnitt und Terminaltriebregulierung unter ganz anderen Zeichen. Mitarbeiter fehlen und Feldtage fallen höchstwahrscheinlich aus – so auch vermutlich das Schnittseminar bei Herbert und Doris Geyer in Vestenbergsgreuth und der österreichische Feldtag bei Hans Fischer. Deswegen möchten wir hier berichten, wie Herbert und Doris Geyer ihre Terminaltriebregulierung vergangenes Jahr gemacht und welche Erfahrungen sie gesammelt haben.
Nur mit einer zum Habitus des Baumes passenden Terminaltrieblänge lässt sich ein Qualitätsbaum produzieren – da sind sich alle Erzeuger in Europa einig. Auch Herbert und Doris Geyer von der Frankentanne sind überzeugte „Baumformer“ und schneiden die Bäume mittlerweile seit 16 Jahren. Sie haben dabei ihr ureigenes System entwickelt. Kurz zusammengefasst: Stumpfbeschneidung, Grundschnitt, Spitzenregulierung, Snippen. Herbert Geyer prägte vor Jahren den Satz: „Formschneiden ist wie Gelddrucken.“ Denn durch das Schneiden lässt sich die Baumqualität verbessern.
Mittlerweile beginnt die Arbeit bei Geyers nach der Vegetationsphase des dritten Standjahres. „Wenn die Bäume keine Spitze entwickelt haben, schneiden wir den obersten Kranz zurück. Wir machen das nicht mehr im Austrieb, weil wir beobachten konnten, dass sich dann Seitentriebe aufstellen.“ Im vierten Standjahr beginnt die Arbeit dann mit einem moderaten Stumpfschnitt von 8 Zentimetern. Im Folgejahr gibt es einen zweiten Stumpfschnitt. „Im vierten Jahr schneiden wir die Bäume soweit ins alte Holz zurück, sodass man eine Kegelform bekommt. Meist machen wir das mit der Heckenschere, das hängt natürlich ein bisschen vom Baumtyp ab. Ist dieser von sich aus schon etagiert und hat lange Triebe, dann kann man filigraner mit der Handschere arbeiten. Manchmal reicht es, nur die Knospen des seitlichen Haupttriebes wegzuschneiden“, sagt Herbert Geyer. Beste Zeit dafür: Vor Austrieb oder im Mai-Trieb. Vorab im April laufen Geyers durch die großen Bäume und schneiden „Überbauungen“ weg.
Nach dem Formschnitt ist aber auch vor der Terminaltriebverkürzung. Diese ist nach dem Schnitt unerlässlich. Das erledigten Herbert und Doris Geyer vergangenes Jahr zum ersten Mal mit einer Kombination aus Top-Stopp-Zange und der Alpha-Naphthylessigsäure. Doch zunächst suchten sie Referenzbäume aus und markierten diese, um sie regelmäßig zu messen. Einige Referenzbäume bekommen keine Behandlung und andere unter Beobachtung stehende Nordmänner schon.
Zu Beginn des Knospenschwellens kam die Top-Stopp-Zange zum Einsatz – nach der vom dänischen Zangenerfinder Lars Geil vor einigen Jahren neu entwickelten und empfohlenen Technik. Bricht die neue Terminalknospe durch das Hütchen und ist das erste frische Grün zu sehen, ist eigentlich erst der perfekte Zeitpunkt, um mit der Top-Stopp-Zange loszulegen. Dieser Wachstumszeitpunkt hält nur ein paar Tage. Daher beginnt man bereits zu Beginn des Knospenschwellens und kneift durchaus noch eine Woche nach Austriebsbeginn. Man setzt für das erste Kneifen die Zange eine halbe Zangenkopfbreite über dem Astkranz des Vorjahres an. Um 45 Grad versetzt drückt man ein zweites Mal etwa eineinhalb Zangenkopfbreiten oberhalb des ersten Schnittes. Dabei verdreht man die Hand nicht vertikal um 90 Grad, wie es jahrelang propagiert wurde, sondern verändert die Stellung nur horizontal. Dabei achtet man darauf, wie schon beim ersten Kneifen, dass man keine Internodien verletzt. Die Internodienzweige verdecken hinterher die Verletzungsstellen. Abermals um 45 Grad versetzt im selben Abstand zum Vorschnitt, kneift man ein drittes Mal. Die Schnitte verteilt man in den unteren 50 Prozent der Vorjahresterminale…..
Ist das Wetter wüchsig oder ist der Baum sowieso ein Schnell- und Langtreiber von Herkunft wegen, dann empfehlen viele Praktiker nicht nur zu kneifen, sondern im Anschluss eine chemische Behandlung folgen zu lassen. Was früher mit Camposan extra erfolgte, wird nun mit Fixor oder Proagro gemacht, den seit 2018 zugelassenen NAA-Produkten. Und genau diese Alpha-Naphthylessigsäure (NAA) haben auch Herbert und Doris Geyer vergangenes Jahr eingesetzt. „Wir hatten mit der Top-Stopp-Zange angefangen und dann war es erstmal drei Wochen richtig kühl“, erinnern sie sich, daher begann das Wachstum vergangenes Jahr recht spät – am 23. Mai. Als die Triebe 8 bis 12 Zentimeter lang waren, erfolgte der erste Durchgang mit der Alpha-Naphthylessigsäure (NAA). Als Anhaltspunkt kann man sagen, dass die Triebe etwa so lang sind wie ein Kugelschreiber. „Wir sind beim ersten Durchgang mit vier Leuten gelaufen und haben etwa drei Tage gebraucht“, so Herbert Geyer weiter. „Die Kombination von Kneifen und Chemie ist optimal“, stellen Herbert und Doris Geyer fest. Nun hoffen sie darauf, dass noch ein weiteres für die Terminaltriebregulierung geeignetes Mittel in Deutschland zugelassen wird: das ConShape. Vor drei Jahren trat dieses weitere Mittel auf den Markt, was eine stark wuchshemmende Wirkung hat. ConShape enthält den Wirkstoff Abscisinsäure. Das Mittel war erstmalig aufgrund einer Notfallzulassung in Dänemark genehmigt worden – in 2020 auch in Deutschland.
Im Unterschied zur frühen Ausbringung von NAA, erfolgt der Einsatz von ConShape zu einem späteren Termin. Sehr gute Resultate erbrachten sowohl in Versuchen als auch in der Praxis zwei Behandlungen je Baum. Die erste mit NAA und eine zweite mit ConShape. Der Wirkstoff Abscisinsäure (ein Pflanzenhormon), soll dann zu diesem Zeitpunkt die weitere Zellstreckung verhindern, indem es die Zellen zur Dormanz (Entwicklungsruhe) zwingt. Nach der Anwendung soll das Wachstum innerhalb von ein bis zwei Zentimetern stoppen. Das konnten Herbert und Doris Geyer ebenfalls feststellen, denn sie nahmen mit 100 Bäumen bei einem Versuch mit ConShape teil. „80 der 100 Bäume sind, wie als ob man ihnen den Stecker gezogen hat, stehen geblieben“, berichtet Herbert Geyer. „Bei 28 Zentimetern haben wir die Triebe behandelt und sie sind nur noch durchschnittlich 0,08 Zentimeter bis gar nicht mehr gewachsen.“ …..
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