aus dem Journal

Der Kampf um das beste Saatgut

Der Kampf um das beste Saatgut

Und alle Jahre wieder…. beginnt im Kaukasus der Kampf um das beste Saatgut, sobald die Zapfen in Ambrolauri pflückreif sind. Im Herbst 2013 flogen nicht nur böse Worte, sondern auch die Fäuste. Schwarzpflücker bedrohen das Geschäft und Georgiens Regierung verkauft seit neuestem Jahrespflücklizenzen für andere Waldgebiete. Wie soll es da zu Ruhe im Markt und zu gesicherten Herkünften kommen?

Nach einem stundenlangen Aufstieg durch kniehohes Gras, Farne und Brombeerdickicht stemmt Charly Moser von der PlusBaum Samen GmbH aus Nagold seine klobigen Schuhe in den Waldboden und legt seine Arme um die schönste Tanne, die er je gesehen hat. Ein Traum von einem Baum. Pyramidenförmig gewachsen, dichte Äste, buschige Nadeln. Nahezu vollkommen. So eine Tanne existiert kein zweites Mal. Weder hier in diesem Wald in Georgien, noch sonst wo. „Das ist die Granate, die wir brauchen“, ruft er, schnaufend und schwitzend. Er kann den Stamm mit beiden Armen umfassen. „200 bis 300 Jahre alt, 30 Meter hoch.“ Die unteren Äste nicht zu ausladend, das ist wichtig in den kleinen Wohnzimmern heutzutage. Neben Charly Moser steht ein Mann und nickt: sein Geschäftspartner und Baumschuler aus Schleswig-Holstein Henning Pein. „Alles in allem perfekte Weihnachtsbaum-Gene“, bestätigt er. 3.000 Kilometer entfernt von ihrer Heimat stehen zwei Deutsche in einem Wald im georgischen Kaukasus und umarmen eine Tanne wie eine Chance, die es unbedingt zu ergreifen gilt. Charly Moser und Henning Pein, zwei glattrasierte Brillenträger Mitte fünfzig. Zwei Handlungsreisende in Förstergrün.

Die schönsten und ältesten Nordmanntannen wachsen im Kaukasus auf etwa 1.000 Metern Höhe, in der Region Ambrolauri, nahe der Grenze zu Russland. Die grünen, bewaldeten Bergrücken fallen bis zu einem Stausee ab, dem Schaori-See. Tagsüber spiegelt sich die Sonne auf dem Wasser, nachts der Mond. Aus den Tälern steigen Rauchsäulen. Die Menschen heizen ihre Häuser mit Holz, ihre Straßen sind aus nacktem Lehm, ihre Gemüsegärten Lebensversicherungen. Armut und Idylle sehen sich in Ambrolauri zum Verwechseln ähnlich.

1841 hat der finnische Biologe Alexander von Nordmann hier eine besonders eindrucksvolle Tannenart mit kräftigen Zweigen und tiefgrünen Nadeln entdeckt. Später wurde sie nach ihm benannt. Lange interessierte dieser Fund nur Botaniker. Bis in die 1980er Jahre stellten die Deutschen an Weihnachten eher einheimische Fichten in ihre Wohnung, als Rarität galt aber damals schon die Nordmanntanne. Heute sind die Zapfen der Nordmanntanne Georgiens Gold. Um sie wird gekämpft wie um jeden Rohstoff. Importeure wie die….. Autorin: Paula Scheidt

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